Walldorf. (seb) Die gute Laune überwog, aber nachdenkliche Töne fehlten nicht, als das Walldorfer Gymnasium sein 50-jähriges Jubiläum feierte. Mit Stolz und Selbstvertrauen blickte man zurück und beschwor insbesondere den „Walldorfer Geist“, eine Atmosphäre der Wertschätzung, die eigentlich nicht erst beschworen werden muss, sondern jeden hier unweigerlich prägt.
Insbesondere der neue Schulleiter Gerald Kiefer und seine Vorgängerin Marianne Falkner hoben im Zwiegespräch die Bedeutung dieses „Geists“ hervor. Zuvor hatte der stellvertretende Schulleiter Jürgen Brunsch, der einst hier Schüler und vom „Geist“ wieder hergelockt worden war, die Gäste begrüßt. Das Unterhaltungsprogramm stellte die Vielseitigkeit des übers Curriculum hinausreichenden Schulangebots unter Beweis, mit dabei waren Musical-Chor, Literatur- und Theaterkurs der Oberstufe, eine Schüler-Popband und die Big Band.
„Ihr“ Gymnasium schilderten Marianne Falkner aus Sicht einer Lehrerin über 40 Jahre hinweg und Schulleiterin von 2009 bis 2016, Gerald Kiefer teils mit dem Blick „von außen“, unter anderem als langjähriger Lehrer an einem privaten katholischen Gymnasium und als Fortbildungsreferent. Dass der „Mensch im Mittelpunkt“ stehe, die Entfaltung des „ganzen“ Schülers ermöglicht werde und das Interesse nicht nur seiner „Funktion“, seinem Leistungsvermögen gelte: „Das ist für mich das Entscheidende“, so Kiefer. Marianne Falkner verwies auf Respekt und Vertrauen, die hier herrschten, aber auch auf die durchaus hohen Leistungsanforderungen.
Beide sprachen die Herausforderungen für ein Gymnasium heute an, etwa seelische Probleme der jungen Leute oder die Ansprüche der Eltern. Kiefer wies insbesondere aufs Spannungsfeld zwischen Elternhäusern, die die notwendige Unterstützung der Kinder einfach nicht leisten könnten, und überfürsorglichen „Helikopter-Eltern“ hin. Seine Vorgängerin ergänzte augenzwinkernd, dass Bildungsreformen der Politik ebenso fest dazu gehörten wie die Baumaßnahmen, gegenwärtig etwa für Mensa und Sporthalle. Der „Walldorfer Geist“ sei keine „Pseudo-Harmonie“, schloss Falkner, sondern stehe für Respekt, Offenheit und Sorge, für Mitgestaltungsmöglichkeiten für Schüler und Lehrer, für „Freude am Lehren und Lernen“.
Kiefer und Falkner zeigten sich sehr dankbar für die Unterstützung von Stadt und Gemeinderat, Elternbeirat, Förderverein, außerdem auch Partnern unter Vereinen und in der Wirtschaft, alle durchdrungen vom „Walldorfer Geist“.
An die „Bildungseuphorie“ der späten 60er erinnerte Katharina Beckmann, Schulreferentin des Regierungspräsidiums Karlsruhe, als sie auf die Gründung des Gymnasiums zurückblickte und zum Jubiläum gratulierte. Entscheidend damals wie heute: dass das Gymnasium nicht nur „Akademikerkindern“ offen stehe, sondern „von allen Schichten angenommen“ werde. Die Vorgabe damals lautete: „Keine Spaltung durch das dreigliedrige Schulsystem“, so Beckmann. Das sei auch der Hintergrund, warum Gymnasium und Realschule 1970 nebeneinander, im neuen Schulzentrum, errichtet wurden. 1967 genügten noch zwei Pavillons auf dem Gelände der Schillerschule für die neuen Fünftklässler, seither sind die Schülerzahlen rasant auf heute über 1000 gestiegen. Beckmann sprach auch ein Lob an die Stadt aus für ihr in all den Jahren vorbildliches Engagement.
„Wir versuchen, als Schulträger unseren Teil dazu beizutragen, dass alle unsere Schulen ihre Arbeit gut machen können“, formulierte es Bürgermeisterin Christiane Staab. Was sicher nicht immer einfach sei, werde doch „von außen immer noch ein Päckchen mehr“ aufgeladen, ob von Kultusministerium, Eltern oder Wirtschaft. Auch die Stadt nahm sie dabei mit Blick auf den Ganztagsbetrieb an Walldorfer Schulen nicht aus, im Dienst der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Während man vielerlei Wünsche einfließen lassen wolle, gelte vor allem: „Die Schule soll ihren eigenen Weg finden.“ Während „Elitedenken“ keinen Platz am Gymnasium habe, dürfe eine gewisse Leistungsbereitschaft der Schüler als Basis für die pädagogische Arbeit nicht fehlen.
Die „hervorragenden Lernbedingungen“ am Gymnasium hob die St. Leon-Roter Bürgermeister-Stellvertreterin Anneliese Runde hervor und lobte Walldorfs „zukunftsweisende, verantwortungsbewusste“ Förderung des Gymnasiums. Dass der „Mensch im Mittelpunkt“ stehen muss, betonten auch Pfarrerin Wibke Klomp (evangelische Kirchengemeinde) und Pfarrer Manfred Woschek (katholische Seelsorgeeinheit Walldorf-St. Leon-Rot). Zum Jubiläum gratulierten auch Tessa Hamed (Elternbeirat), Karin Geis vom Verein der Freunde und Förderer sowie Maren Schmitz („Hier fühle ich mich wohl und ernst genommen“), Nele Hyner („Wir werden optimal unterstützt“) und Maja Siebold („Das Walldorfer Gymnasium ist ein Ort, an dem ich ich sein kann“) von der Schülermitverantwortung.
Rhein-Neckar-Zeitung vom 17.10.2017