Junge Schauspieler lieferten große Leistung
Theaterabend „Wege nach Innen“ am Gymnasium
„Das war eine ganz große Leistung, ich bin begeistert“, sagte Jürgen Brunsch, der stellvertretende Schulleiter des Gymnasiums Walldorf, nach einem Theaterabend im „ungewöhnlichen Format“, der sich aus Werken von Kafka, Shakespeare, Lessing, Goethe und Brecht bediente. Große Anerkennung für die Darbietungen der Schüler gab es auch vom Ersten Beigeordneten der Stadt, Otto Steinmann, der zu den Zuschauern in der voll besetzten Aula zählte. „Das ist wirklich phänomenal“, lobte Lehrer Jonas Rehm schon in der kurzen Pause die schauspielenden Schützlinge aus den Literatur- und Theaterkursen (LUT). Seine Kollegin Jasmin Ziegler sagte, sie fühlten sich „privilegiert, dieses Fach unterrichten zu dürfen“, schließlich habe man „29 junge Menschen, die sich fürs Theater begeistern“. Die Schüler „haben Spaß daran, haben Talent und stecken viel Energie rein“, so Rehm. Was die immer wieder mit viel Applaus bedachte Vorstellung bestens belegte.
Unkonventioneller Anfang
„Wege nach Innen“ war die Aufführung betitelt, mit der die Schüler der Kursstufen 1 und 2 ihre Abschlussarbeiten des Halbjahrs ablieferten. Schon der Auftakt zeigte die unkonventionelle Herangehensweise: Während sich das Publikum noch seine Sitzplätze suchte, wuselten einige Darsteller zu Klavierklängen bereits über die Bühne, andere verharrten stoisch in ihren Positionen. Alle ganz in Schwarz gekleidet, teils mit seltsamen Tätigkeiten oder dem Anfertigen von Notizen beschäftigt, teils scheinbar umherirrend. Die spärlichen Requisiten wie Drahtkäfige, Seile und Leinwände verstärkten den skurrilen Eindruck des wortlosen Geschehens, in dem auch mal ein offenkundig wütender Wahnsinniger seitlich von der Bühne springen durfte.
Zur szenischen Lesung aus Frank Kafkas „Brief an den Vater“, 1919 verfasst, aber niemals abgeschickt und erst 1952 posthum veröffentlicht, sortierte sich das beabsichtigte Durcheinander. Die jungen Schauspieler lasen wechselnd oder im Chor, mal allein, mal mit zwei, drei oder mehr Stimmen Kafkas Versuch, seinen Vaterkonflikt zu bewältigen – ein eindrücklicher Auftakt. „Verschiedene berühmte Monologe“ aus weithin bekannten Werken kündigte danach Jonas Rehm an. Man habe den Schülern die Aufgabe gestellt, „sich möglichst gut in ihre Figur einzufühlen“, erläuterte er. Denn der Text gebe nur die Rolle vor, Aufgabe des Schauspielers sei es, die Leerstellen zu füllen – oder die Rolle mit Leben. Jasmin Ziegler ergänzte, im Kolloquium nach der Prüfung müssten die Schüler auch erklären, warum sie ihre Figur auf die jeweilige Art und Weise interpretiert hätten.
Von Shakespeare zu Goethe
Dabei ging es quer durch die Jahrhunderte der Theatergeschichte: Viona Hecker machte mit Julias Monolog aus „Romeo und Julia“ (1597) von William
Shakespeare den beeindruckenden Anfang. Es folgten mit nicht minder sehens- und hörenswerten Leistungen Philine Happel als Helena aus Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ (1600), Pia Golze als Gräfin Orsina aus Gotthold Ephraim Lessings Drama „Emilia Galotti“ (1772), Jakob Gebhardt als Mephisto aus Johann Wolfgang von Goethes Tragödie „Faust“ (1829), Elisabeth Burkhardt als Gretchen aus demselben Werk und schließlich Manina Machts in der Rolle der Johanna Dark aus „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ (1959) von Bertolt Brecht. Völlig zurecht sparte das Publikum nicht mit Applaus für die ausdrucksstark vorgetragenen Monologe durch die auch passend gewandeten jungen Darsteller.
Dass es danach etwas abstrakter werden würde, hatte Rehm den Zuschauern bereits angekündigt. In sechs Gruppen ging es ins erste Obergeschoss, um dort hintereinander sechs Aufführungen von Kafka-Parabeln erleben zu dürfen. „Die Brücke“ (1916/17 entstanden) wurde von den beiden Gruppen Silja Armbruster (krankheitsbedingt durch Etienne-Noel Drobwolski vertreten), Gina Biermann, Jo-Anna Frosch und Leonie Gebhardt sowie Harjas Chawla, Marie Bruckmeier, Neela Soerensen und Lina Brechtel in Szene gesetzt, „Heimkehr“ (1920) von Annika Kochert, Julia Kruse, Lina Siebert und Emily Southall sowie von Philipp Siebenmorgen, Mia Clasen und Eylül Sönmezler, „Der Aufbruch“ (1922) von Dominik Kuhlmann, Greta Kuppe, Jannis Roman, Joschua Schweinfurth und Lukas Thome sowie von Cornelius Hüther, Norik Etz und Christopher Campbell. Abstrakt ja, dennoch wieder auch sehr eindringlich: Die Schüler arbeiteten in ihren Aufführungen mit Licht, Schatten und Dunkelheit, Musik verlieh den oft fast roboterhaften Bewegungen etwas Tänzerisches, auch Pantomime und andere Stilmittel kamen zum Einsatz. Kafkas Themen – Entfremdung, Tod und Erkenntnis, aber auch der Ausbruch aus dem gewohnten Leben – wurden höchst anschaulich vermittelt. Mit einer gemeinsamen Performance zum Abschluss, an der sich auch die Zuschauer per Fingerschnippen beteiligen durften, kehrte danach dankenswerterweise ein gehöriges Stück Leichtigkeit ins Gymnasium zurück. „Ich bin beeindruckt“, sagte Schulleiter Brunsch. Dem dürften sich viele Besucher angeschlossen haben.
von Armin Rößler (Stadt Walldorf)